Kardinal Augustin Bea - das Leben und Werk

Jugend- und Studienzeit

Nach dem Besuch der Volksschule und verschiedenen Gymnasien in Sasbach, Konstanz und Rastatt legte Bea 1900 mit bestem Erfolg das Abitur ab. Er hatte sich längere Zeit schon mit dem Gedanken getragen, Priester zu werden, und begann an der Universität Freiburg i. Br. Mit dem Studium der Theologie. Zwei Jahre später trat er in die Gesellschaft Jesu ein. Der Jesuitenorden war jedoch zu dieser Zeit in Deutschland verboten. Daher nahm er 1904 im Anschluss an das Noviziat in Valkenburg (Holland) wie vorgeschrieben das Studium der Philosophie und der Theologie auf. In Innsbruck studierte er noch klassische Philologie und war als Lehrer tätig, später als Professor am Jesuitenkolleg in Feldkirch. 1912 wurde Bea zum Priester geweiht und konnte in seiner Heimatgemeinde die Nachprimiz feiern.

Verschiedene Aufgaben im Dienste der Gesellschaft Jesu

Es folgten Spezialstudien in Orientalistik und Exegese in Berlin, und schon 1917 wurde Bea zum Professor für Altes Testament im Ordensstudienheim der Jesuiten in Valkenburg ernannt. Zur wissenschaftlichen Arbeit trat später noch das Amt des Studienpräfekten hinzu, der für die pädagogische und wissenschaftliche Leitung sowie für die Beratung der Studenten Verantwortung trug.

Nachdem Bea am 15. August 1918 seine Profess gefeiert hatte, berief ihn die Gesellschaft Jesu 1921 zum Provinzial der neugegründeten Oberdeutschen Ordensprovinz. Beas wissenschaftliche Laufbahn wurde damit von einer stärker seelsorglich orientierten Arbeit abgelöst – eine Entwicklung, die ihm später durchaus zustatten kommen sollte. Bereits nach drei Jahren sah der Orden eine neue Aufgabe für ihn vor: Bea wurde in Rom Leiter eines internationalen Studienheims, an dem die künftigen Professoren der Jesuiten ihre Ausbildung erhalten sollten. Gleichzeitig übernahm er am Päpstlichen Bibelinstitut den Lehrstuhl für die Einleitungswissenschaft im Alten Testament und an der Päpstlichen Universität Gregoriana den Lehrstuhl für Neutestamentliche biblische Theologie.

Am Päpstlichen Bibelinstitut

Das päpstliche Bibelinstitut war 1909 vom Pius X. zur Ausbildung der zukünftigen Exegese-Professoren gegründet worden. Es war die einzige Institution, der das Recht zustand, akademische Titel der Bibelwissenschaft zu verleihen, ohne die niemand Vorlesungen über die Heilige Schrift halten durfte. Bea sollte insgesamt fast 35 Jahre an diesem Institut lehren. Neben den Einleitungswissenschaften befasste er sich mit den Fragen der alttestamentlichen Exegese, der biblischen Methodologie und der Hermeneutik. Sein intensives Arbeiten und Forschen während dieser Zeit fand seinen Niederschlag in einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Publikationen.

Als Bea 1930 zum Rektor des Instituts ernannt wurde, ließ er es weiter ausbauen und um eine eigene Fakultät für Orientalik erweitern; er förderte archäologische Ausgrabungen im Heiligen Land und betreute die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift. Unter seiner Leitung wurde eine neue lateinische Psalmenübersetzung aus dem Hebräischen erarbeitet. Bea war auch einer der Initiatoren der 1943 von Pius XII. veröffentlichten Enzyklika „Divinu afflante spiritu“, mit der das Tor für die heutige katholische Bibelwissenschaft geöffnet wurde. Das Rundschreiben würdigte die Ergebnisse der Profanwissenschaft, insbesondere der Orientalistik für das Bibelstudium, erklärte die vielfach umstrittene historisch-kritische Methode zur Grundlage der wissenschaftlichen Arbeit und forderte die katholische Laien ausdrücklich auf, sich diesem Forschungszweig zu widmen.

Neben seiner Arbeit am Bibelinstitut hatte Bea verschiedene Ämter an der römischen Kurie inne. Das Rektorat, nicht jedoch seine Professur gab Bea auf, als er 1949 zum Konsultor des Heiligen Offiziums, der heutigen Glaubenskongregation, ernannt und kurze Zeit darauf in die Päpstliche Kommission für die Liturgische Erneuerung berufen wurde, um an jener Reform mitzuarbeiten, die er selbst mit angeregt hatte.

Daneben zog Pius XII. Bea immer mehr als seinen persönlichen Berater heran, nachdem er ihn bereits 1945 zu seinem Beichtvater ernannt hatte. Er erhielt Einsicht in die verschiedenen Bereiche der Kirchenleitung und der Pastoral und sollte zu den unterschiedlichen Problemen Stellung beziehen. Bea wurde auch immer wieder als Vermittler bei Gesprächen mit dem Papst zu Rate gezogen, was ihm eine umfangreiche, bisweilen kaum mehr zu bewältigende Korrespondenz bescherte.

Berufung zum Kardinal und präsident des Einheitssekretariats

Nach dem Tod von Pius XII. wurde der neugewählte Papst Johannes XXIII. auf Bea aufmerksam. 1959 berief er den mittlerweile 78-jährige überraschend zum Kardinal, eine Berufung, die Bea nicht als wohlverdiente Belohnung verstand, sondern als weiteren Dienst für Gott und die Kirche.

In diesem Sinn nahm Bea die Vorbereitungen für das von Johannes XXIII. angekündigte Konzil, das Zweite Vatikanum, in Angriff. Der Papst knüpfte daran die Hoffnung, dass es auch der Einheit der Kirche dienen möge. In diesem Zusammenhang griff der Kardinal den an ihn herangetragenen Vorschlag auf, nach der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirche auf katholischer Seite ebenfalls eine Stelle für Kontakte mit den getrennten Kirchen einzurichten. So wurde 1960 das „Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen“ gegründet und Kardinal Bea zur Leitung anvertraut. Er sollte dafür die geeigneten Mitarbeiter auswählen und den Vorsitz bei Sitzungen führen. Neben dem Dialog mit den nichtkatholischen Christen wurde das Sekretariat ermächtigt, für das anstehende Konzil Vorschläge zu unterbreiten, wie eine Annäherung der getrennten Kirchen zu verwirklichen sei. Kardinal Bea war für seine neue Aufgabe gut vorbereitet, nicht nur durch seine exegetischen Kenntnisse, sondern auch durch die ökumenischen Erfahrungen, die er in der Vergangenheit hatte sammeln können.

Im dienst der ökumene

Als nicht weniger bedeutungsvoll als die eigentliche Konzilsarbeit erwiesen sich die im Anschluss an das zweite Vatikanum von Bea eingeleiteten Schritte zur Verwirklichung und Umsetzung der Konzilsbeschlüsse gerade auf dem Gebiet der Ökumene.

Durch Vortragsreisen, die ihn durch ganz Europa führten, durch Interviews in Presse, Rundfunk und Fernsehen und durch sein Buch „Die Einheit der Christen“, in dem er die Grundprinzipien und die Praxis der ökumenischen Arbeit darstellte, sorgte Bea dafür, dass die Bedeutung des Konzils für die Einheit der Christen bekannt wurde und weithin Verbreitung fand. Er initiierte Gespräche des Papstes mit Repräsentanten der von Rom getrennten Kirchen und Gemeinschaften, knüpfte Kontakte mit dem ökumenischen Rat der Kirchen in Genf, dem er 1965 einen offiziellen Besuch abstattete, und erklärte die grundsätzliche Bereitschaft der katholischen Kirche, bei der Gründung einer gemeinsamen Kommission mit dem Ökumenischen Rat mitzuwirken.

Ebenso galten seine Bemühungen den Beziehungen zur Orthodoxie. Das bedeutungsvollste Ereignis in diesem Zusammenhang war 1965 sein Besuch als offizieller Vertreter des Papstes beim Ökumenischen Patriarchen Athenagoras in Istanbul, über den er sich lange zuvor mit Paul VI. beraten hatte. Dabei überbrachte Bea eine Erklärung des Papstes. Sie besagte, dass der gegenseitig ausgesprochene Bann aus dem Jahre 1054 aus dem Gedächtnis der Kirche gestrichen und der Beginn einer neuen Beziehung eingeleitet werden sollte. In der Tat wurde in der Folge die gegenseitige Exkommunikation aufgehoben und eine neue Epoche in der Beziehung zu Orthodoxie eingeleitet.

die letzen Jahre

Neben der Sorge um die Verwirklichung des ökumenischen Geistes des Konzils waren die letzten Jahre Kardinal Beas ausgefüllt von Vorträgen, Rundfunkansprachen, Ehrungen und Auszeichnungen. (…)

 

Am 16. November 1968 starb Kardinal Bea in Rom nach Vollendung seines 87. Lebensjahres. Nach der Trauermesse in St. Peter wurde er, wie er es sich gewünscht hatte, nach Riedböhringen überführt und dort in einer Gruft im Turm der Pfarrkirche beigesetzt.

Mit Augustin Bea starb ein Mann, dem es in seinem langen Leben, ohne die Treue zu sich selbst zu verlieren, immer wieder gelungen war, Erfahrungen miteinander zu verbinden. Bea war als Jesuit Mitglied jenes Ordens, der zur Zeit der Gegenreformation der evangelischen Theologie kritisch gegenüberstand, und er erwies sich in seinem Leben als einer der größten Förderer der ökumenischen Bewegung; er stand in Treue zu seiner eigenen Glaubenstradition und legte gegenüber den anderen Kirchen doch eine ungeheure Offenheit an den Tag; er war Konsultor des Heiligen Offiziums und Präsident des Einheitssekretariates; er war zudem enger Mitarbeiter von zwei so unterschiedlichen Päpsten wie Pius XII. und Johannes XXIII. Von daher ist es nicht erstaunlich, dass einige seiner Zeitgenossen ihn als eine wahrhaft „charismatische Persönlichkeit“ bezeichnet haben. Sein Lebenswerk setzte in zweierlei Hinsicht eine nachhaltige Wirkungsgeschichte in Gang: zum einen auf dem Gebiet der Bibelwissenschaften, wo ihm ein wesentlicher Anteil an der Einführung neuer bibelwissenschaftlicher Methoden zukommt; zum anderen auf dem Gebiet der Ökumene, wo er der ökumenischen Bewegung im wichtigen Augenblick des Konzils entscheidende Impulse verliehen hat. Bea vereinte auf beiden Gebieten den nötigen nüchternen Wirklichkeitssinn mit dem Mut zu Vorausschau und der Bereitschaft zu neuen Wegen.

Auszug aus: "Kardinal-Bea-Museum Riedböhringen"